Rain: Mangelhafte Gerätehäuser, fehlende Ausstattung: Die Listen der Wehren sind lang. Jetzt hat die Stadt Rain einen Feuerwehrbedarfsplan aufgestellt. Darum geht es.
Applaus aus dem Publikum gehört nicht zu den üblichen Meinungsäußerungen in einer Stadtratssitzung. Dass es diesmal in Rain anders war, lag an einem Thema, worum die Wehren der Lechstadt lange gerungen haben: dem Feuerwehrbedarfsplan. Rund 50 Floriansjünger aus Kernstadt und zehn Ortsteilen spendeten anhaltend Beifall, als in der Sitzung am Dienstag Nägel mit Köpfen gemacht wurden. Der Feuerwehrbedarfsplan ist nun beschlossene Sache. Er soll in den kommenden zehn Jahren nach und nach umgesetzt werden.
Auf diesen Tag hat nicht nur Stadtrat und Oberpeichings Kommandant Johannes Schachaneder „lange gewartet“. Bürgermeister Karl Rehm sprach von einem „wichtigen Schritt“, Feuerwehr-Referent im Stadtrat und aktiver Feuerwehrmann Simon Briglmeir zeigte sich froh und bat um „zeitnahe Umsetzung“, wie auch sämtliche Fraktionssprecher unisono dieses Thema positiv beschieden.
Brände, Explosionsgefahr, Unfälle, technische Hilfestellungen, Notlagen aller Art: Tritt der Ernstfall ein, müssen Feuerwehren binnen zehn Minuten am Einsatzort sein und in personeller Stärke und mit der entsprechenden Ausstattung und Kompetenz für die jeweilige Situation gerüstet sein. Kommunen haben nach dem Bayerischen Feuerwehrgesetz die Pflicht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Welche Ausstattung aber ist für welche Feuerwehr die richtige? Welche potenziellen Gefahren gibt es am jeweiligen Wirkungsort? Entsprechen technische Ausrüstung und Gerätehaus einem zeitgemäßen Standard? Solche Fragen beantwortet der Feuerwehrbedarfsplan. Für die Stadt Rain hat ihn Feuerwehrexperte Stephan Rudolph erstellt. Seine Ergebnisse überraschen nicht. Bestehende Mängel sind nicht erst seit heute bekannt. Aber jetzt ist der Handlungsbedarf fachkundig ermittelt.
Brenzligen Situationen kann es statistisch gesehen am häufigsten in der Kernstadt geben. Dort leben die meisten Menschen, teilweise ist die Wohnbebauung eng, es gibt alte Bausubstanz, schwierige Anfahrtssituationen, Seniorenheim, Wohnanlagen, Versammlungsstätten, große Industrie- und Gewerbe-Niederlassungen – auch mit Gefahrstofflagern. In den Ortsteilen sind die dörflichen Strukturen mitunter nicht ideal, Waldgebiete bergen Gefahren, teilweise ist die Löschwasserversorgung schwierig. Für Sallach sieht Stephan Rudolph ein „riesengroßes Gefahrenpotenzial“ im Containerdorf der Saisonarbeiter. Dort wohnen bis zu 800 Menschen auf engem Raum. „Das ist im Ernstfall eine große Herausforderung.“
Grundsätzlich unfallträchtig sind die stark befahrene B16, aber auch einige Staats- und Ortsverbindungsstraßen wie auch die Bahnlinie. Lech und Friedberger Ach müssen bei Hochwassergefahr im Auge behalten werden.
Die Wehren im Stadtgebiet Rain verfügen über 418 aktive Erwachsene plus 49 Jugendliche. Da die Altersstruktur der Bevölkerung steigt, kommt weniger Nachwuchs nach. Stephan Rudolph: „Hier sind Entwicklungskonzepte notwendig.“
Ausbaufähig ist auch das Thema Atemschutz. Neben der Kernstadt gibt es lediglich in Sallach und Gempfing Atemschutzgeräteträger. Aber: „Rettung aus einem brennenden Haus ist ohne Atemschutzgerät praktisch nicht möglich.“
Große Defizite sieht Stephan Rudolph bei praktisch allen Feuerwehrgerätehäusern, denn „in den vergangenen 20 bis 30 Jahren waren die Investitionen der Stadt Rain sehr zurückhaltend“.
Allgemein sei der bauliche Zustand schlecht. In Rain herrscht drängende Enge, es fehlen Nebenräume, Duschen, eine Prüfwerkstatt, Platz für eine ausreichend große Atemschutzwerkstatt und mehr. Auch die An- und Abfahrtssituation ist hinderlich. Bekanntlich denkt die Stadt Rain aber an einen Neubau am Standort Schlehenweg, den Rudolph als deutlich besser beurteilt.
In Mittelstetten gibt eine Stolperfalle. In Staudheim fehlt die Heizung in der Fahrzeughalle – dort steht aber ein Löschfahrzeug mit Wasser –, das Tor ist zu schmal und Nebenräume sind nur Provisorien. In Gempfing und Sallach halten unter anderem die Schlauchtrocknungen den technischen Anforderungen nicht stand.
In Bayerdilling ist die Schlauchtrocknung nicht sicherheitsgeprüft. In Etting mangelt es an Räumen, ebenso herrscht in Wächtering, Wallerdorf, Ober- und Unterpeiching unter anderem Platzmangel für zeitgemäße Ausstattung. Überall dort fehlt auch der Nachweis für Arbeitssicherheit.
Was die Ausrückzeiten im Ernstfall betrifft, kann nur die FFW Rain tagsüber alles gewährleisten – auch mit Atemschutz. Bei allen anderen Wehren ist das personell nicht möglich. Nachts sieht es etwas besser aus. Nicht immer kann dann die Hilfsfrist von zehn Minuten eingehalten werden. Mitunter müssen dann auch Nachbarfeuerwehren einspringen.
Innerhalb des Stadtgebiets, so empfiehlt Stephan Rudolph, „müssen die Feuerwehren mehr zusammenrücken“. Gemeinsame Gerätebeschaffungen, gemeinsame Fortbildungen seien wirtschaftlicher. Auch in anderen Bereichen sei es sinnvoll, enger zusammenzuarbeiten.
Nachholbedarf besteht auch bei allen Wehren im Fuhrpark ihrer Einsatzfahrzeuge. Wie Stephan Rudolph auflistete, fehlt es überall im Stadtgebiet entweder an ergänzenden Wagen und/oder Anhängern beziehungsweise an technisch moderneren Löschgruppenfahrzeugen. Auch an der Schutzkleidung solle die Stadt nicht sparen, immerhin setzten die Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr bei Einsätzen unter Umständen ihr Leben aufs Spiel.
Umgesetzt werden soll – nach Rudolphs Empfehlung – der Feuerwehrbedarfsplan schrittweise. Kleinere, weniger kostenintensive Maßnahmen sofort, der Beginn des Gerätehaus-Neubaus in Rain binnen ein bis zwei Jahre, die Beschaffung diverser Fahrzeuge und die Modernisierung der Stadtteil-Feuerwehrhäuser zwischen drei und zehn Jahren.
Pressebericht aus der Donauwörther-Zeitung vom 03.03.2023 von Barbara Würmseher.