Marxheim-Lechsend: Unwetter - In Marxheim und Lechsend hat der Regen am Sonntag (06.06.2021) reißende Flüsse erzeugt. Der Tag danach ist ernüchternd
Es ist wie ein Traum. Eigentlich. Die Donau zieht breit und majestätisch ihre Bahnen durch weitläufige Weiden und Wiesen. Ein schmaler Weg schlängelt sich durch ein kühlendes Laubwäldchen hinunter auf den Hof. Auf jenen Hof, auf dem Manfred Schweinbeck am Sonntag um kurz nach 13 Uhr die Landschaft hier nicht als Idylle, sondern als blanken Albtraum erleben musste. Binnen kürzester Zeit mutierte ein schmales Rinnsaal zu einem reißenden Gebirgsfluss, der Felsbrocken und Wassermassen von einer Anhöhe mit sich hinab auf das Anwesen der Schweinbecks riss.
Schweinbeck lebt schon sein ganzes Leben hier am Ufer der Donau, unterhalb der Straßenbrücke am Ortseingang von Lechsend. Hochwasser, das sei er als Anrainer am Fischberg beileibe gewohnt. Aber so etwas, nein, das habe er noch nie erlebt; auch seine 96-jährige Mutter nicht. Etwa 13 Uhr war es, als sich das erste Poltern am Sonntag angekündigt habe. Eine Art Donnern, dumpf, schwer zu beschreiben. Laut, unheimlich. „Wir sind raus aus dem Wohnhaus, auf den Hof“, berichtet Schweinbeck. Der Schreck steckt ihm noch sichtlich in den Gliedern, als er am Tag danach den Berg aus Felsbrocken erklimmt, der jetzt am Rand seines Hofes lagert. Die gehören eigentlich weiter hoch, hangaufwärts. Die schubkarrengroßen Brocken stabilisieren normalerweise die Autobrücke mit ihren imposanten Pfeilern. Gut 20 Minuten des sich punktuell am Wochenende an verschiedenen Orten des Landkreises Donau-Ries ergießenden Starkregens haben genügt, um sie wie Kieselsteine hinab zu spülen in Richtung Bauernhof am Donau-Ufer.
„Das Wohnhaus ist verschont geblieben“, zeigt sich Schweinbeck trotz allem erleichtert. Doch die Brocken schrammten an den alten Stallungen vorbei, türmten sich auf über zwei Meter am Rand des großen Hofes, der mit Schlamm und Wasser volllief wie ein Polder.
Zum Glück brach irgendwann die etwa 25 Zentimeter dicke Mauer der alten Mistgrube, sodass das Wasser ablaufen konnte. Das nahm den Druck raus. Auf zwei bis drei Metern klafft das Loch nun in der Betonmauer. „Es sind so gewaltige Kräfte gewesen“, beschreibt der Rentner das, was da im wahrsten Sinne des Wortes über die Familie hereinbrach. Die wohnt seit 1948 hier – und so etwas hatte es noch nie gegeben; nicht einmal 1975, als die Straßen, Häuser und Keller in der Gegend um Graisbach ähnlich infernalisch geflutet wurden. Andernorts im Gemeindegebiet – in Schweinspoint – steht an diesem Tag Marxheims Bürgermeister Alois Schiegg. Er koordiniert, will da sein, helfen. Gemeinsam mit etlichen Feuerwehrleuten aus der Gemeinde, etwa aus Marxheim, Lechsend, Schweinspoint, aber auch von nebenan, aus Rain und Leitheim. Am Sonntag wurde gepumpt, was geht. Die Feuerwehrleute haben es bis zum Sonntagabend geschafft, das Wasser aus sämtlichen der etwa 20 betroffenen Keller im Gemeindegebiet abzupumpen. „Um kurz nach acht waren wir fertig“, sagt Schiegg – alle Bewohner hätten in ihren Häusern schlafen können. Auch Schiegg meint, wenn überhaupt, dann habe es ein solches Unwetter mit solchen Sturzbächen in der Gemeinde zuletzt 1975 gegeben.
Die immense Hilfsbereitschaft im Ort, sie tröste und baue auf, sagt unterdessen Manfred Schweinbeck, dem die Arbeit der vergangenen 24 Stunden anzusehen ist. Fast bis zehn Uhr am Abend wurde gerackert, Schlamm und Geröll geschoben, um sechs in der Früh ging es weiter. Freunde kamen in großer Zahl, binnen kürzester Zeit packten gut zehn Mann mit an, ebenfalls schnell vor Ort waren die Feuerwehren aus Lechsend und Leitheim. Die enorme Einsatzbereitschaft der freiwilligen Helfer rührt Schweinbeck: „Das hat die Verzweiflung gelöst.“
Der rüstige Rentner hofft nun auf eine „schnelle Problemlösung“, was das Geröll angeht. Klar, es geht auch um Haftungsfragen und Ähnliches – die riesigen Steine dienten der Stabilisierung der Straßenbrückenpfeiler. Ist das Staatliche Bauamt für sie zuständig oder die Gemeinde? Nun, es werde hoffentlich bald wieder alles in Ordnung gebracht sein.
„Plötzlich ist nichts mehr, wie es war“, bemerkt ein Freund des Hausherrn, der auch aus der Gegend kommt und nun kräftig mit anpackt. Schweinbeck wird es ein wenig mulmig, wenn er daran denkt, was passiert, sollten sich solche punktuellen Starkregen öfter wiederholen. Auf so etwas könne man sich kaum vorbereiten, keine Chance, sagt er. Und Bürgermeister Schiegg ist gleichermaßen erstaunt: Nebenan, im Ortsteil Neuhausen sei nichts gewesen. Ebenso nebenan in Donauwörth. Etwas Regen, ja, aber fast Pillepalle gegen das hier.
Aber viel Zeit zum Nachdenken bleibt heute nicht. Aufräumen ist angesagt. Es muss ja weitergehen.
Pressebericht aus der Donauwörther-Zeitung vom 08.06.2021 von Thomas Hilgendorf